
Seit dem 1. Juni hat man die Möglichkeit für 9Euro im Monat quer durch Deutschland mit den Regionalverkehr zu fahren. Im Vorfeld wurde wahrhaft apokalyptische Szenarien vorher gesagt, wie nun die Menschenmassen die Regionalzüge, Buse und Bahnen stürmen würden. In Anbetracht der bisher angekündigten und dann doch ausgefallen Apokalypsen zumindest mal etwas Abwechslung und neues. Und wenn den Zustand und die Infrastruktur des oft sehr mangelhaften und manchmal auch an der Belastungsgrenze existierenden ÖPNV bedenkt zumindest nicht ganz unrealistisch.
Flucht im Zug vor der Apokalypse
Spontan entschied sich der Volksbote sich der aktuellen Apokalypse auszusetzen und in die Hansestadt Stralsund mit dem Regio zu fahren. Vom Hauptbahnhof in Berlin in ca. 4 Stunden Fahrzeit zumindest eine Strecke die lang genug ist um sich einen Eindruck zu verschaffen. Doch was soll man schreiben, wenn die größte Apokalypse des Tages aus manch wenig ansehnlichen Unterwegsbahnhöfen besteht und einer sehr mangelhaften Netzabdeckung beim Handy bzw. mobilen Internet? Denn dabei handelt es sich eben nicht um eine neue Apokalypse sondern um Missstände die seit Jahren und Jahrzehnten existieren. Wobei die miserable Netzabdeckung an der Strecke auch seinen Vorteil hat, da man sich so die Zeit nehmen kann die reizvolle Landschaft zu genießen und einiges zu entdecken, was sonst sicher verpassen würde.
Stralsund ein sicherer Ort bei Apokalypsen?
Stralsund war definitiv die Reise wert. Ein sehr schöner Bahnhof mit einem alten Bahnhofsgebäude vermittelt einen ersten positiven Eindruck bei der Ankunft in der alten Hansestadt. Zu Fuß ging es dann die alte Hansestadt erkunden. Zu bieten hat Stralsund nicht nur eine schöne Landschaft, sondern auch eine wundervolle Altstadt. Fast schon idyllisch liegen die kleinen Häuser der Altstadt im Schatten von St Nikolai und St. Marien. Und Informationstafeln geben einen kleinen Einblick in die lange Geschichte der Stadt. Den Charme dieser Altstadt kann man sich nur schwer entziehen. Vor allem wenn aus dem eher geschichtslosen Berlin kommt, bei denen die Stadtentwicklung nur wenig Rücksicht auf den Erhalt der historischen Substanz genommen hat und eine Bausünde sich an die nächste reiht. Erwähnenswert und sehenswert ist vieles in Stralsund, doch leider war diesmal zu wenig Zeit. Alleine mit der Betrachtung des alten Marktes mit dem historischen Rathaus könnte man viel Zeit verbringen.
Durch die Altstadt ging es dann auch zum Hafen. Geboten wird dort nicht nur ein Blick auf das Segelschiff Gorch Fock I (kann besichtigt werden), sondern auch ein schönes Panorama von Ostsee und Rügendamm Brücke. In Sichtweite des Hafens kann man die Insel Rügen erblicken. Leider fuhr der letzte Zug nach Berlin schon gegen 20.00 Uhr. Aber zum Glück ist das 9 Euro-Ticket noch für die nächsten drei Monate erhältlich und nutzbar, so dass weiteren Besuchen nicht entgegensteht.
ein ZOB als historische Ruine?
Historisches wirkt auch der ZOB von Stralsund. Wer mit dem Bus anreist kann dort die Artefakte und fast verfallenen Gebäude erblicken. Wie aus vergangenen Zeiten wirken die Relikte früherer DDR-Architektur des Nahverkehrs. Unterstrichen wird der “Charme” dieses ZOB durch einen Eindruck von gepflegten Desinteresse und Verwahrlosung, bei der man den Zahn der Zeit an der Anlage nagen lässt. Damit setzt der Betreiber des ZOB einen starken Kontrast, man möchte fast sagen Kulturschock zur sonst sehr gepflegten und ansprechend wirkenden Altstadt im Hintergrund. Vielleicht möchte der Betreiber aber auch nur ein Zeichen des Protestes setzen und auf die Missstände im Nahverkehr aufmerksam machen, in dem er den ZOB verwahrlost wirken läßt. Wobei an dieser Art von Motiv durch den Betreiber doch massive Zweifel entstehen, wenn sich die modernen Haltestellenhäuschen des Stadtverkehrs anschaut, bei denen nur fehlende Stadtpläne bemängeln müsste, wie sie der Volksbote von Berliner Haltestellen der BVG gewohnt ist.
keine Apokalypse für 9Euro – aber preiswert und flexibel durchs Land
Der Ausflug nach Stralsund hatte sich gelohnt keine Frage und war mit dem 9 Euroticket sehr günstig. Spontan durch Deutschland ist damit möglich und macht sicher auch Spaß, wenn einige Abstriche macht und Kompromisse (u.a. Flexibilität und Reisezeit) eingeht. Doch soll das 9 Euroticket nicht nur eine schöne Werbeidee für den Regionalverkehr und ÖPNV sein, dann muss die Politik endlich ihre Hausaufgaben bei diesem Thema erledigen. Denn was nützt ein günstiges Ticket in Regionen in denen nur ein geringes Angebot oder gar kein ÖPNV vorhanden ist? Denn entscheidend ist nicht für die meisten Menschen wohin sie damit spontan mal fahreen könnten, sondern wie gut oder schlecht ist der ÖPNV im Alltag